Tiergestützte Arbeit

 

 

Intensivausbildungsseminar zum Therapiebegleithundeteam bei den Wismarer Therapiebegleithunden e.V.

Im September 2009 absolvierte ich mit Caatje vom Wilden Weidenwald das Intensivausbildungsseminar zum Therapiebegleithundeteam bei den Wismarer Therapiebegleithunden e.V..

Unsere Startbedingungen waren denkbar ungünstig, da nur zwei Wochen zuvor mein zweiter Hund, ein knapp 11jähriger Briardrüde, verstorben war. Sowohl ich als auch Caatje, die mit ihm an der Seite aufgewachsen ist, waren dadurch in einer Situation, die nicht gerade optimal erschien, um zwei Wochen intensiv an den schwierigen Aufgaben einer solchen Ausbildung zu arbeiten. Außerdem war mir auch noch überhaupt nicht klar, inwieweit sich Caatje dadurch in ihrem bisher gezeigten Verhalten verändern würde. Dennoch entschied ich mich, die lange geplante Ausbildung – wir hatten bereits im Frühjahr den erforderlichen Eignungstest abgelegt – wie beabsichtigt zu beginnen und notfalls vor Ort neu zu entscheiden. Und trotz oder vielleicht auch gerade wegen der traurigen Ausgangssituation erlebte ich mit Caatje zwei anstrengende, aber ganz besondere Wochen, die unsere Beziehung zueinander sehr verändert und intensiviert haben und meine junge Hündin eindeutig haben wachsen lassen.

Ich hatte mich in den letzten Jahren in verschiedener Form immer wieder mit dem Thema der tiergestützten Arbeit auseinandergesetzt und auch schon des Öfteren über eine entsprechende Aus- bzw. Fortbildung nachgedacht. Daher wusste ich im Vorfeld bereits, dass es sehr viele verschiedene Angebote gibt, einen Hund bzw. ein Hund-Mensch-Team für den entsprechenden Einsatz auszubilden. Leider gibt es in Deutschland bis heute keine allgemeingültigen Leitlinien und daher auch keine entsprechende Überprüfungsmöglichkeit der jeweiligen Ausbildungsqualität. Einige der Anbieter orientieren sich mit ihrer Ausbildung und den dazugehörigen Kriterien aber an der Delta Society (www.deltasociety.org ) aus den USA, die im Bereich der tiergestützen Arbeit eine gewisse Vorreiterrolle spielt und über langjährige Erfahrung verfügt.

Mit Caatje habe ich nun einen Hund, mit dem ich erstmals versuchen wollte, eine derartige Ausbildung anzugehen. Ich entschied mich aus verschiedenen Gründen für den Wismarer Therapiebegleithunde.e.V. (www.wismarer-therapiehunde.de). Auch hier orientiert man sich in den Grundzügen an der Ausbildung der Delta Society und hat ebenfalls bereits langjährige Erfahrung in der Ausbildung von Therapiebegleithundeteams. Einmal im Jahr findet ein zweiwöchiges Intensivausbildungsseminar statt, dem als Zulassungsvoraussetzung ein Eignungstest vorausgeht, an dem auch ein Wesensgutachter teilnimmt und in dem neben dem Wesen des Hundes vor allem das Verhältnis von Hund und Hundeführer zueinander eingeschätzt wird. Das Seminar selber besteht aus theoretischen und praktischen Anteilen und beinhaltet auch drei kurze Praktika in möglichen späteren Einsatzfeldern. Die Ausbildung schließt mit einer theoretischen und einer praktischen Prüfung ab. Hat man diese bestanden, so gilt man als geprüftes Therapiebegleithundeteam. Diese Anerkennung ist zeitlich begrenzt und muss alle zwei Jahre durch eine Wiederholungsprüfung des praktischen Teils verlängert werden.

Die theoretische Ausbildung umfasst unter anderem Themen aus den Bereichen Humanmedizin, Veterinärmedizin, Soziologie, Kynologie, Pädagogik, Ergotherapie und Gerontologie. So geht es bezogen auf den Hund beispielsweise um das Sozialverhalten von Hunden, das Lernverhalten des Hundes, Beschwichtigungssignale und Stress beim Hund, Gesundheit des Hundes, Infektionskrankheiten, Erste Hilfe am Hund, Hund und Recht etc.. Bezüglich der verschiedenen in Frage kommenden Einsatzfeldern wird Wissen zu verschiedensten Krankheitsbildern vermittelt und werden Besonderheiten in der Arbeit mit den verschiedenen Zielgruppen thematisiert (Gerontologie, Kinder- und Jugendarbeit, Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Sonderpädagogische Arbeit mit Menschen mit einer Behinderung, Ergotherapie etc.). Es werden natürlich grundlegende Informationen zur tiergestützten Arbeit an sich und in den verschiedenen Aufgabenfeldern thematisiert und es werden Themen wie Emotionale Intelligenz, angemessene Kommunikationsformen, Hygiene, Erste Hilfe und Organisatorisches und Rechtliches rund um den Einsatz von Therapiehundeteams bearbeitet. Die einzelnen theoretischen Ausbildungsanteile werden von Fachpersonen aus den jeweiligen Bereichen durchgeführt.

Leinenführigkeit, Begegnung mit Artgenossen, Platz, Spielen und Spielabbruch, Warten

Der praktische Teil gliedert sich in grundlegende Anforderungen zum Gehorsam des Hundes (Leinenführigkeit, Sitz, Platz, Begegnung mit Artgenossen, Warten, wenn der Hundeführer sich entfernt, Spielen und Spielabbruch mit dem Hundeführer, auf Aufforderung mögliches Bellen unterlassen etc.) und in das Kennenlernen und Erarbeiten vieler verschiedener Situationen, die im Alltag und vor allem im „Arbeitsalltag“ eines Therapiebegleithundeteams eine Rolle spielen können. Hierzu zählen ungewohnte Bewegungsmuster und ungewöhnliche Bekleidung, fremde Geräuschkulissen (fallende Gegenstände, schlagende Türen, plötzliche Schreie von Patienten) und Begegnungen mit Hilfsmitteln wie Rollatoren, Gehhilfen, Rollstühlen etc..

Auch bedrohlich wirkende Situationen, das manierliche Entgegennehmen eines Leckerlis und das Erlernen von Berührungen durch Fremdpersonen auch in ungeschickter, unsanfter oder überraschender Form und mit teilweise sehr engem Körperkontakt zum Hund (Umarmen oder Drücken) werden geübt. Besonders wichtig bei all diesen verschiedenen Übungen ist es aber vor allem, dass der Hund lernt, sich in heiklen Situationen vertrauensvoll an seinem Hundeführer zu orientieren.

Begegnungen verschiedenster Art

Die geschilderten Situationen werden in unterschiedlichsten Varianten und in wechselnder Umgebung nachgestellt und häufig wiederholt, wobei sie nach und nach von der Intensität her gesteigert werden. Darüber hinaus werden in Rollenspielen sowohl die theoretischen als auch die praktischen Lerninhalte abgefragt, indem klassisch auftretende Situationen nachgestellt werden und die angehenden Teams sich in diesen bewähren müssen.

Rollenspiele

Zwischendurch werden auch schon mögliche Übungen und Spiele vorgestellt und ausprobiert, die man im späteren Einsatz nutzen kann oder die die Bindung zwischen Hund und Mensch fördern und stärken.

Gegen Ende der Ausbildung gibt es für jeden die Möglichkeit, während kleiner Praktika schon mal Erfahrungen mit verschiedenen Zielgruppen zu machen (Kinder, Senioren und Menschen mit einer Behinderung) und dabei evtl. auch schon Vorlieben für sich selbst oder den Hund zu erahnen.

Während des gesamten praktischen Trainings steht immer auch mit im Vordergrund, mögliche Stressreaktionen des eigenen Hundes erkennen und mit ihnen umgehen zu lernen, um Stress, wo es geht, durch vorausschauendes Handeln nach Möglichkeit zu vermeiden oder durch die Unterstützung des Hundes so gering wie möglich zu halten und notfalls den Hund auch einfach aus einer Situation herauszunehmen. Die tiergestützte Arbeit bedeutet für die Hunde eine große Anstrengung und ist auch bei einem belastbaren und gut ausgebildeten Hund mit Stress verbunden. Es liegt dabei in der Hand des Hundeführers, seinen Hund so gut einschätzen zu können, dass es nicht zu einer Überforderung und zu einem zu großen Stressaufbau kommt. Während uns also beigebracht wurde, wie wir Stress für unseren Vierbeiner vermeiden bzw. möglichst gering halten können, wurden die zwei Wochen gleichzeitig gezielt genutzt, um immer mehr Stress aufzubauen und sehen zu können, ob der jeweilige Hund und das Hund-Mensch-Team auch extrem stressige Situationen (die bei aller Vorsicht vorkommen können) meistern.

Lagerungsübungen

Die beiden erfahrenen Ausbilderinnen zeigten hierbei eine sehr gute Beobachtungsgabe und eine große Fähigkeit Situationen richtig einzuschätzen. Zusätzlich dokumentierten sie das Geschehen begleitend mit Fotos und werteten diese zur Unterstützung der gemachten Beobachtungen tagtäglich aus. Wir lernten unsere Hunde besser zu beobachten und ihnen die notwendige Unterstützung zu geben. Die Hunde dagegen lernten, sich in ungewohnten, unangenehmen oder als bedrohlich empfundenen Situationen an ihrem Menschen zu orientieren und quasi abzufragen, ob alles ok ist – eine Angewohnheit, die Caatje teilweise auch in den Alltag übernommen hat und die mich immer wieder fasziniert.

Rollstuhltraining

Insgesamt kann ich nach diesen zwei sehr bereichernden Wochen sagen, dass die Herausforderung durch das Seminar für die Hunde extrem groß ist. Entsprechend stolz bin ich, dass Caatje ihren Abschluss gut gemeistert hat, auch wenn es ein wirklich nicht ganz einfacher Weg dahin war. Im Nachhinein würde ich eine solche Herausforderung vermutlich jedoch nicht wieder mit einem so vergleichsweise jungen Hund suchen (Caatje war zu dem Zeitpunkt etwas über zwei Jahre), sondern lieber ein Jahr länger warten, um schon etwas mehr Sicherheit und Stabilität des Hundes mitzubringen.

Caatje hat diesen Schritt gemeistert und muss nun gemeinsam mit mir in der Praxis weiterlernen, denn natürlich bedeuten zwei Wochen Intensivtraining nicht, dass man einen fertigen und perfekt arbeitenden Hund an der Seite hat und ein völlig eingespieltes Therapiebegleithundeteam ist. Aber wir wissen nun beide, inwieweit wir uns aufeinander verlassen können und was wir beachten müssen, um gut miteinander und mit anderen arbeiten zu können und das scheint mir eine gute Voraussetzung, um in die tiergestützte Arbeit einsteigen zu können.